Das 1860 gegründete Bundesamt für Statistik (BFS) erfüllt einen der ältesten Aufträge der Bundesverwaltung. Es produziert statistische Informationen für die öffentliche Verwaltung und die Bevölkerung. 1998 wird das ursprünglich in Bern angesiedelte Bundesamt nach Neuchâtel verlegt. Der Umzug erfolgt im Rahmen des Dezentralisierungsprogramms der Bundesverwaltung, dessen Ziel darin besteht, mehr Arbeitsplätze ausserhalb der Hauptstadt zu schaffen und die Mehrsprachigkeit zu fördern.
Die Bundesbehörden veröffentlichen eine Ausschreibung, die Städten bzw. Regionen die Gelegenheit gibt, ihr Interesse an der Aufnahme von Verwaltungsgebäuden zu melden. Die Stadt Neuchâtel bietet u.a. dank der Pendlerdistanz zu Bern und dem guten ÖV-Anschluss viele Vorteile. Die bereits etablierte Zusammenarbeit zwischen der Universität Neuchâtel und den Stellen der Bundesstatistik sprechen ebenfalls für Neuchâtel.
Für das BFS kommt dieser Umzug äusserst gelegen, da seine verschiedenen Sektionen auf elf verschiedene Standorte in der Stadt Bern verteilt sind .
Auch wenn unter den Politikerinnen und Politikern Einhelligkeit in Bezug auf das Dezentralisierungsprogramm herrscht, gilt dies nicht zwangsläufig für die Mitarbeitenden , die sich gezwungen sehen, den Arbeitsort zu wechseln. Um die mit dem Umzug verbundenen Nachteile zu kompensieren, führt die Bundesverwaltung verschiedene Unterstützungsmassnahmen ein, die den Mitarbeitenden den Umzug erleichtern (Entschädigung von Reisespesen während der ersten Monate bzw. von Umzugskosten, Anrechnung der Reisezeit als Arbeitszeit während der ersten zwei Jahre usw.). Mit der Zeit fühlen sich die Mitarbeitenden am neuen Standort immer mehr zuhause. Allmählich wird ein Gleichgewicht gefunden, wobei der Pendleranteil hoch bleibt.
Postulat Stucki – Beauftragung des Bundesrats, die Möglichkeit zu prüfen, bestimmte Bundesbetriebe und Verwaltungszweige in wirtschaftlich und bevölkerungsmässig benachteiligte Gebiete zu verlegen.
Postulat Delamuraz – Beauftragung des Parlements, Massnahmen zum Schutz der sprachlichen Minderheiten und zur Förderung der Mehrsprachigkeit umzusetzen.
In Beantwortung des Postulats Delamuraz vertritt der Bundesrat die Ansicht, bestimmte Dienste der Bundesverwaltung zu dezentralisieren um die Mehrsprachigkeit zu fördern.
Weisungen des Bundesrats zur Förderung der Mehrsprachigkeit innerhalb der Bundesverwaltung.
11. März: In Beantwortung neuer Interpellationen zu diesem Thema (Robbiani 1982 , Roy 1982 , Geissbuehler 1983 , Houmard 1984 ), prüft der Bundesrat die Möglichkeit, bestimmte Ämter an Standorte ausserhalb der Stadt Bern zu verlegen.
17. September: Publikation einer Ausschreibung im Bundesblatt, um den Kantonen und Gemeinden die Gelegenheit zu geben, ihr Interesse an der Aufnahme eines Bundesamtes zu melden.
Formaler Entscheid des Bundesrats, das BFS sowie drei weitere Ämter (entspricht insgesamt rund 350 Arbeitsplätzen) zu verlegen. Für den Umzug infrage kommen vorwiegend Orte im französischsprachigen Raum, die sich in Pendlerdistanz zu Bern befinden.
Publikation des Ideen- und Projektwettbewerbs für den neuen BFS-Standort auf dem Hügel Crêt-Taconnet. Das SBB-Gelände Crêt-Taconnet in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Neuchâtel ist zu diesem Zeitpunkt eine urbane Brache.
Der Hauptpreis des Wettbewerbs geht an das Projekt TGV des Architekturbüros Bauart.
Die eidgenössischen Räte gewähren für das BFS einen Baukredit in Höhe von 130 Millionen Franken.
Die Stadt Neuchâtel bestimmt den Standort Crêt-Taconnet zum strategischen Entwicklungsschwerpunkt.
Umzug ins Hauptgebäude .
Baubewilligung für den Turm trotz einiger Bedenken seitens der Bevölkerung in Bezug auf den Eingriff in die Landschaft (50 m hoher Turm).
Inbetriebnahme des 14-stöckigen Turms, der sich gleich neben dem Bahnhof befindet.
10. November 1998
Journalist: Das neue Gebäude des Bundesamtes für Statistik ist riesig und dennoch bereits zu klein. Es steht in Neuchâtel und wurde heute den Medien vorgestellt. Da das Pflichtenheft des Amtes ganz schön umfangreich geworden ist, arbeiten die Statistikerinnen und Statistiker auf engem Raum. Das Gebäude muss daher so bald wie möglich vergrössert werden. Die Baubewilligung für den Turm wurde bereits vom Nationalrat verabschiedet, jetzt fehlt noch die Zustimmung des Ständerats. Das Projekt stiess jedoch auch auf Widerstand und wird derzeit vom Neuenburger Regierungsrat geprüft. Sichtlich stolz auf den Neubau verkündet der Direktor des BFS, Carlo Malaguerra:
«Unser Amt war schon immer von Offenheit geprägt, was sich auch in der neuen Partnerschaft mit der Universität Neuchâtel äussert. Gemeinsam mit ihr werden wir ein Institut für angewandte öffentliche Statistik aufbauen und die Zusammenarbeit mit den Universitäten in der Schweiz sowie im Ausland festigen. Das Statistikinstitut wird als Referenz für statistische Analysemethoden dienen und die Basis für ein nationales und internationales Netzwerk im Bereich der angewandten Statistikmethoden legen.
Auch die öffentliche Bibliothek, die es zu Berner Zeiten noch nicht gab, zeugt von der Offenheit. «Zuvor gab es bereits eine Bibliothek, die allerdings nicht öffentlich war. Die Bibliothek besteht seit 1860 und umfasst eine sehr wertvolle Publikationssammlung. Unsere Bibliothek hier in Neuchâtel ist öffentlich. Ich betone immer wieder, dass sie nicht nur für Fachleute, sondern für die Allgemeinheit und alle Statistik-Interessierten zugänglich ist. Sie können sich auch in unser IT-System einloggen und haben Zugriff aufs Internet und andere Angebote.»
Das Bahnhofsviertel 1993 und heute